Aus welchem Grund sollte man sich für einen Beruf in der Pflege entscheiden?
Heutzutage haben Negativmeldungen Medienpräsenz: Personalnotstand, Überstunden, schlechte Urlaubs- und Freizeitplanung … Als Pro-Argumente dienen meist die Dankbarkeit der zu pflegenden Menschen sowie der tägliche Umgang mit ihnen und dem damit verbundenen Gefühl des „Gebrauchtwerdens“. Dies sind sicher sehr wichtige, positive Argumente und besitzen einen höheren Wert als es oberflächlich erscheinen mag. Aber reichen diese Argumente tatsächlich aus, um bei einer Pro/Contra-Diskussion der Negativpresse standzuhalten und zu überzeugen? Die Antwort ist nein, denn auch in vielen anderen Berufszweigen interagieren wir täglich mit Menschen die unsere Hilfe brauchen und dankbar sind, wenn sie diese erhalten. Sollte demnach nicht im Berufsfeld mehr dahinter stecken als der bloße Wunsch mit Menschen zu arbeiten und dafür Dankbarkeit zu erhalten? Erst während meiner Ausbildung zur Krankenschwester begann ich zu begreifen, wie facettenreich und anspruchsvoll dieser Beruf wirklich ist.
Es geht hier nicht nur um das Aneignen von notwendigem Fachwissen und auch nicht nur darum, einem Patienten die Grund- und behandlungspflegerische Versorgung zukommen zu lassen, sondern um eine weitaus vielseitigere Unterstützung. Dazu zählt unter anderem, Patienten und Angehörigen, welche sich in einer völlig neuen Lebenssituation befinden, fachkundige Erklärungen und Beratungen zukommen zu lassen, dadurch Ängste zu mindern und Zukunftsperspektiven aufzuzeigen.
Das Vermitteln und Anwenden von Fachwissen, unter Berücksichtigung ethischer Grundsätze und der Wünsche der Betroffenen, erfordert ein hohes Maß an Empathie. Sollte dies nicht das Herz der Pflege sein, statt ausschließlich der „Umgang mit einem Waschlappen“ oder die „Gerätemedizin“? Angangs war mir das noch nicht bewusst. Da aber auch die „Gerätemedizin“ unverzichtbar ist, um Leben zu retten, führte mich mein Weg nach der Ausbildung zuerst in die Intensivpflege und Anästhesie, in der ich sehr viel über Notfall- und Akutpflege lernen durfte.
Nach einiger Zeit wurde mir dann bewusst, dass die Menschen, die wir dort wieder „auf die Beine gebracht haben“, auch ein Zuhause haben, in dem sie mit ihren körperlichen Einschränkungen und mit Unterstützung ihrer Angehörigen irgendwie wieder in den Alltag finden müssen.
Plötzlich ist für diese Menschen alles anders als sonst und keiner weiß wirklich, wie es weitergehen soll. Aber hat nicht jeder den Wunsch, trotz körperlicher Einschränkungen, bis zum Lebensende zu Hause bleiben zu können? Genau hier greift die (oft unterschätzte) Vielseitigkeit und Kompetenz der ambulanten Pflege, für die ich mich inzwischen entschieden habe.
Mittels Organisationstalent und Kreativität, alle zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um Betroffenen die bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen, Wünsche zu berücksichtigen, zu beraten und ein Lächeln in ihren „neuen Alltag“ zu bringen. Hand in Hand mit verschiedenen Berufsgruppen zu arbeiten, um ein gutes Netz an Hilfsmöglichkeiten zu schaffen und zu sichern, das alles ist Teil der ambulanten Pflege! All dies ist nötig, weil alle Menschen das Recht haben, so behandelt und unterstützt zu werden, wie es sich ein jeder für die eigenen Angehörigen oder für sich selbst wünscht!
Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen – seien es Berufsanfänger oder Quereinsteiger – für diesen Beruf entscheiden oder sich vielleicht intensiver mit dem Berufsfeld Pflege beschäftigen, d. h. sich genauer informieren, da die meist negativ behaftete Berichterstattung der Medien, diesen Beruf unattraktiv erscheinen lässt.