Neues aus der Pflege: Vom Heim zur ambulanten Pflege
Mit 15 Jahren war ich in der Stadt einkaufen. Ich stand in einer Drogerie an der Kasse. Der Mann vor mir schaute an mir vorbei und fing an zu schimpfen: „Wie man so was mit in die Öffentlichkeit nehmen kann“, „Das ist ja widerlich“ und andere unfreundliche Sachen. Ich drehte mich um und musste mit Entsetzen feststellen, dass er ein behindertes Kind meinte, das sich mit seiner Mutter in die Schlange eingereiht hatte. Schockiert stellte ich fest, dass alle anderen in der Schlange dies reaktionslos hinnahmen.
Ab diesem Tag wusste ich, dass ich Menschen jeden Alters, mit ihren unterschiedlichsten Defiziten unterstützen möchte. Ich begann meine Ausbildung als Pflegefachkraft. Ich freute mich darauf Menschen in ihren selbstbestimmten, individuellen Bedürfnissen zu unterstützen, zu pflegen.
Nach meiner Ausbildung fing ich an, in einem Heim zu arbeiten. Nach über zehn Jahren musste ich leider feststellen, dass der Arbeitsalltag nicht meinem persönlichen Vorstellungen entsprach, Menschen zu unterstützen oder zu pflegen. Es werden viele Bewohner von zu wenigen Mitarbeitern versorgt. Dadurch entsteht ein sehr hoher Zeitdruck, und man hat als Mitarbeiter keine Zeit für den zu pflegenden Menschen. Viele Menschen in kurzer Zeit zu versorgen, bedeutet eine hohe körperliche Belastung. Viele Dinge, die man in der Ausbildung beigebracht bekommt, bleiben nur Theorie, können auf Grund des hohen Zeitdrucks nicht umgesetzt werden. Auf individuelle Bedürfnisse kann kaum eingegangen werden, es kann nur eine gewisse Grundversorgung stattfinden. Von Selbstbestimmung kann keine Rede sein. Die Arbeit findet in drei Schichten statt und lässt sich kaum mit Familienleben, wie z.B. Kindergartenbetreuungszeiten vereinbaren.
Heute arbeite ich im Ambulanten Pflegedienst. Ich betreue Menschen, die selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden zu Hause alt werden können. Ich kann auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Ich führe die Pflege durch, so wie sie das möchten, benutze das Handtuch, welches sie sich ausgesucht haben, etc. Es ist ein schönes Gefühl, sie in ihren eigenen Interessen unterstützen zu können. Der Zeitdruck ist nicht so massiv und auch die körperliche Belastung ist nicht so groß wie im Heim, da man weniger Klienten zu betreuen hat. Da man in der Regel feste Klienten zugeteilt bekommt, kann man oft ein persönliches Verhältnis aufbauen. Wir reden und lachen viel miteinander. Ich bin im ambulanten Dienst nicht ein Mitarbeiter von 100. Wir sind ein überschaubares Team und tauschen uns oft aus, helfen uns gegenseitig. Die Arbeitszeiten sind flexibel und lassen sich gut mit meinem Familienleben vereinbaren, so dass ich jetzt viel mehr Zeit für meine kleine Tochter habe.
Wenn ich nach ein paar freien Tagen wieder zu meinen Patienten fahre, höre ich oft: „Schön, dass Sie wieder da sind, wir haben sie schon vermisst“, was mir immer ein Lächeln ins Gesicht zaubert …